Nach dem Dunkel kommt ein neuer Morgen

Das Telefon schrillt! Mit stockender Stimme meldet sich ein guter Freund: „Meine Frau ist tot. Vor einer Stunde ist sie in der Wohnung plötzlich umgekippt. Es war nichts mehr zu machen!“ Der Schock sitzt tief. Sie war gerade mal Mitte 50. Sechzehn Jahre lang waren sie verheiratet. Es waren die besten Jahre seines bisherigen Lebens! Ein paar Tage später die Beerdigung – für mich eine weite und anstrengende Reise! Aber die Freundschaft ist mir das wert! Ich staune, wie gefasst er ist! Danach eine lange, intensive Trauerbegleitung: Jeden Tag ein Anruf, um den nächsten Schritt zu besprechen! Jeden Tag eine E-Mail mit einem tröstlichen und mutmachenden Gedanken! Das gibt Halt und Sicherheit! Ein Freund steht an seiner Seite, der mitträgt! Nach einem halben Jahr hat sich das Leben etwas entspannt. Ich merke, wie da eine Veränderung bei ihm stattfindet. Nach anfänglicher Orientierungslosigkeit mit turbulenten Gefühlsschwankungen ist er wieder auf klarem Kurs. Und Schmerz und Wut haben sich verwandelt in Dankbarkeit. Natürlich vermisst er sie. Und geht jeden Tag dreimal zum Friedhof, da ist er ihr besonders nahe! Aber er klagt und jammert nicht. Ich habe den Eindruck, er ist auch Gott in seiner Not näher gekommen. Freut sich darüber, dass er alle unüberwindbar scheinenden Hürden übersprungen hat. Dass es wohl recht so ist, wie es gekommen war. Mir kommt ein Satz aus der Bibel in den Sinn: „Lass dir an meiner Gnade genug sein; denn meine Kraft ist in den Schwachen mächtig!“ Ich ahne, dass bei meinem Freund Gott am Werk ist, dass der ihm diese Kraft zum Leben gibt. Denn eigentlich ist er von Natur aus eher ein ängstlicher Typ, lässt sich schnell verunsichern, ist wenig belastbar. Es ist unglaublich, wenn ich seine aktuellen Mails lese. Sie sind voller Dank, dass Gott es so gut mit ihm gemacht hat. Das Dunkel ist zwar noch nicht vorbei, aber die Dämmerung ist schon da, das Licht bricht schon hervor. So kann der Tod für einen Hinterbliebenen sogar Anlass sein für eine bedeutende Gotteserfahrung. Gott ist auch in dunklen Tälern bei denen, die ihm vertrauen. Er meint es gut mit uns! Das ist doch ein schöner Gedanke in dieser trüben Herbstzeit für die, die über den Tod von geliebten Menschen traurig sind!

Rainer Platzek
Letzte Artikel von Rainer Platzek (Alle anzeigen)

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert