Warum guten Menschen Böses widerfährt

Vor wenigen Wochen schnappte ich mir ein kleines Büchlein, das ich nach längerer Zeit wieder einmal lesen wollte. Es ist die tragische Geschichte eines jüdischen Rabbis, der mit seiner Familie etwas ganz Trauriges erlebt. Im Alter von nur acht Monaten hört nämlich sein Sohn auf zu wachsen, und seine Haare fangen schon nach dem ersten Lebensjahr an auszufallen. Die Ärzte diagnostizieren eine Krankheit, bei der das Kind ungewöhnlich schnell altert. Der Junge wird bald wie ein kleiner alter Mann aussehen und nicht viel älter als zehn, zwölf Jahre werden. Kurz nach seinem 14. Geburtstag stirbt dann auch der Junge. In einem Buch mit dem Titel „Warum guten Menschen Böses widerfährt“ versucht der Rabbi seine tragische Familiengeschichte zu beschreiben und zu verarbeiten. Immer wieder taucht diese Grundfrage auf, die sich wohl alle Menschen stellen, die durch unfassbares Leid getroffen werden. Warum leiden ganz gewöhnliche, nette, liebenswürdige Leute und müssen plötzlich mit Schmerz und Trauer fertig werden? Warum trifft es die einen, und die anderen werden verschont? Oberflächliche Antworten verbieten sich hier, sie helfen auch nicht wirklich weiter. Meistens gibt es Spuren, die uns eine Antwort ahnen lassen, doch manche Rätsel bleiben ungelöst. Mir hilft der Gedanke, dass selbst im größten Leid Gott da ist und mich festhält. Das Gefühl, im tiefsten Sinne nicht verlassen zu sein und nicht verzweifeln zu müssen. Ein schwer geprüfter Mensch betete einmal in der Bibel: „Dennoch halte ich an dir, Gott, fest. Denn du hast meine Hand ergriffen und hältst mich fest.“ Manchmal spüre ich das direkt, wie mich bei aller Verzweiflung ein innerer Frieden erfüllt. Manchmal sind andere Leute, gute Freunde, da, die wie ein Engel plötzlich auftauchen und das Leid mit mir teilen. Gerade jetzt in der dunklen Jahreszeit sind auch unsere Gedanken oft trübe. Das zu Ende gehende Kirchenjahr enthält einige Tage, die uns an schmerzvolle Verluste und den Tod erinnern. Da ist es gut, einen festen Anker zu haben, an dem wir uns festhalten können, wenn wir seelisch zu versinken drohen. Ich habe erfahren, dass Gott so ein Halt sein kann. Die Worte der Bibel geben mir Trost, wenn mich plötzlich etwas ein schlimmes Ereignis überrollt – auch wenn manche Fragen ungelöst bleiben!

Rainer Platzek
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